Emmi (Deutsche) und Ali (Ausländer)verlieben sich ineinander. Den feindseligen Gefühlen ihres Umfelds zum Trotz beschließen sie, zu heiraten — und finden sich der ungebremsten Wucht von Vorurteilen ausgesetzt, denen sich auch ihre engsten Vertrauten anschließen …
Mit der Klarheit einer Fabel veranschaulicht „Angst essen Seele auf“ die Funktionsweisen eines hierarchischen Gesellschaftssystems. Gleichzeitig gelingt es Fassbinder, eindimensionale Figurenzeichnungen und gängige Klischees zugunsten vielschichtiger Protagonistenporträts aufzubrechen. Ein nach wie vor hochaktueller Stoff, der auch mehr als vierzig Jahre nach seiner Genese eindringlich die Entstehung und Auswirkung von Ausgrenzung illustriert, und zeigt uns, wie Privates politisch zu machen und somit auf der Ebene zwischenmenschlichen Verhaltens die Wirkungsweisen ganzer gesellschaftlicher Sozialgebilde zu veranschaulichen.
In jeder Liebesbeziehung gibt es einen Moment, in dem wir das Gefühl haben, im Wesentlichen weder uns selbst noch den Mann zu kennen, der uns plötzlich erschien, zusammen mit der Realität, die dieses Treffen ermöglicht hat. Dies ist zum Beispiel der Moment des ersten Treffens. Diese neue Beziehung zu einem Fremden schafft einen Spalt in unserer Erfahrung der Realität, einen Spalt, den wir so schnell wie möglich füllen möchten, damit wir diese neu entdeckte Liebe in die Welt, in der wir leben, integrieren können, um sie trotz aller Hindernisse zu ermöglichen. In dem Moment, in dem wir Erfolg haben, verschwindet jede mögliche Radikalität dieser Beziehung. Aber Fassbinder, der sich mit Emmiahs und Alis erstem und letztem Tanz konfrontiert, bietet uns die Einsicht, dass dieses Leck möglicherweise immer hier ist und dass dennoch Hoffnung besteht, dass der Mann, den wir lieben, genau wie die Welt, in der wir leben, für immer sein wird er bleibt ein Fremder.
In Zeiten von Corona werden Themen wie Gewalt und Ausgrenzung wieder ganz neu diskutiert. Und zwar nicht nur lokal und regional, sondern auch pannational. Das macht unser Stück noch aktueller – ja traurigerweise geradezu brisant – als es eh schon wäre. Wie wollen wir als einzelne und als Gemeinschaft mit diesen Fragestellungen umgehen, wenn die Spielräume knapper werden?
Premiere: Freitag 11.09.2020, 20 Uhr
Ort: Theater der Keller, In der TanzFaktur, Siegburger Str. 233w 50679 Köln
Produktion: Theater TKO
Regie, Dramaturgie: Nada Kokotovic
Kostüme: Joanna Rybacka
Presse/Öffentlichkeitsarbeit-Arbeit: Iris Pinkepank
Es spielen: Doris Plenert, Nedjo Osman, Katharina Waldau, Klaus Nicola Holderbaum
Akkordeonist: Dejan Jovanovic
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